Traditionell und doch ungewöhnlich

09.10.2016 04:58
Im XIV Jh. gründete der römisch-deutsche Kaiser Karl IV ein besonderes Kloster zu Prag. Die neue Gründung wurde in den österlichen Tagen eingeweiht und erhielt damit einen sonderbaren Namen u.z. Emmaus. Gemäß der vorangeschrittenen, humanistischen Ansichten des Kaiser (lade eine Audiosendung über ihn) sollten die Mönche des Emmaus-Klosters sämtliche Gottesdienste des römischen Ritus auf der slawischen Sprache halten. Das war auch in den früheren Zeiten nicht unüblich, nur blieben solche Genehmigungen für den römischen Ritus auf das heutige Kroatien beschränkt.
Das Kloster, unterstützt durch den Karl IV, wurde zu einem der wichtigsten Orten der slawischen Kultur überhaupt. Dort entstand außerdem ein prächtiges Evangeliar von Reims, das später zu den Krönungsinsignien der französischen Monarchen zählte. Diese Insignien war selbstverständlich auf Slawisch abgefasst. Der s.g. glagolitische Schrift des Buches sorgte für seinen mysteriösen Ruf. Die überreiche Bibliothek des Klosters wie auch der klösterliche Beitrag für die liturgische Tradition des Abendlandes ging im Zuge der Hussitenkriege verloren. Gottesdienst auf Slawisch wurde seitdem zum Kennzeichen der Ketzerei, ähnlich wie es mit anderen zeitgenössischen Sprachen der Fall war. Auf ein Detail muss den Leser sofort aufmerksam gemacht werden. Es handelte sich im Emmaus um den römisch-katholischen Gottesdienst und um eine ausschließlich liturgische Sprache (Kirchenslawisch). Diese Sprache bleibt die vornehmliche liturgische Sprache der Russisch-orthodoxen Kirche und einiger anderen weit kleineren Gemeinschaften
Als der spätere russische Kaiser Peter der Große im 17 Jh. das Frankreich besuchte, zeigten ihm die Domkanoniker vom Reims das geheimnisvolle Buch, dem eine Rolle im Krönungszeremoniell zukam, das jedoch für die Franzosen unlesbar war. Zwei letzten französische Könige leisteten nichtsdestotrotz darauf den Eid. Peter der Große lüftete das Geheimnis, indem er bald erkannte, dass die Sprache der Handschrift die kirchenslawische war und das es sich um ein Evangeli(st)ar handelte. Peter der Große versah in seiner Kindheit den Dienst eines Lektors, was ein Schild nicht weit vom meinem Moskauer zu Hause nicht ohne gebührende Stolz berichtet. Nicht weit von meiner Moskauer Wohnung, auf einem winzigen aber wahren Insel ragt sich ein herrliche Münster zu Ehren des Schutzmantelfestes der Muttergottes. Ebendort las der künftige Kaiser des russischen Reiches die liturgischen Lesungen vor.
Im Sommer 2016 fand zu Prag eine Ausstellung "„Das Slawen-Kloster Karls IV. – Frömmigkeit, Kunst und Bildung“ im slawischen Kloster statt (hier der ausführliche Bericht). Dort verkaufte man ein buntes Heft mit der abenteuerlichen Geschichte des Reimser Evangeli(st)ars, darum ist alles, was ich hier berichte mit Gewähr.
Als Überbleibsel der großartigen liturgischen Bewegung des 14 Jh. gilt der immer noch gültige Indult. Demgemäß darf man einige Male im Jahr die Gottesdienste auf Kirchenslawisch abhalten. Der Indult für Tschechei beschreibt deutlich und präzis an welchen Orten und an welchen Tagen diese Gottesdienste erlaubt sind.
Heuer fielen die vorgesehene Termine auf die ersten Ferien-Tage unseres Seminarbetriebs. Ich durfte den P. Zentner bei seiner Heimat-Reise begleiten und ihm bei den kirchenslawischen Gottesdiensten helfen. Einmal sang ich in der Schola und ein zweites Mal durfte ich levitieren.
Zum Gesang des Evangeliums habe ich das Faksimile eines Evangeliars aus dem 16 Jh. benutzt, zwar stammte es nicht von Prag, sondern aus dem heutigen Moldawien, nichtsdestotrotz ist die Sprache der Handschrift die gleiche. Auch zeitlich waren wir damit um einige Jahrhunderte dem "Slawen-Kloster Karls IV" nähe.
Im September desselben Jahres pontifizierte der Bischof Athanasius Schneider ebenso im Tschechei und ebenso auf Kirchenslawisch.
Aus welchen Gründen tun wir es? Ist das bloß eine schöne Bühnen-Inszenierung. Ich denke es ist viel mehr. Zunächst ist es Ausdruck der tiefen Einheit der slawischen Völker vor dem Angesichts Gottes. Diese ehemalige Einheit war im XX Jh. erneut schwer verletzt. Unter den Russen und Zentraleuropeer entstanden Graben der neuen Entfremdung, die nur in der eschatologischen Perspektive aufzuräumen sind. Was ist die Liturgie sonst, als die Offenbarung des Reiches, der eschatologischen Fülle hic et nunc? Außerdem ist es eine absolut traditionelle Liturgie, die für die meisten Slawen bloß vom Hören zum großen Teil verständlich ist. Ist es nicht ein Traum der Liturgie-Bewegung - die Verständlichkeit der unveränderten, überlieferten Liturgie?
Man könnte noch viele interessante Details über diese Tradition berichten. Da fehlt mir jedoch die Zeit und die sprachliche Kunstfertigkeit. Wenn der verehrte Leser einige Fragen hat, möge er in der sicheren Hoffnung auf die baldige Antwort hier unten seine Frage stellen!
    Im XIV Jh. gründete der römisch-deutsche Kaiser Karl IV ein besonderes Kloster zu Prag. Die neue Gründung wurde in den österlichen Tagen eingeweiht und erhielt damit einen sonderbaren Namen, und zwar Emmaus. Gemäß den vorangeschrittenen, humanistischen Ansichten des Kaisers sollten die Mönche des Emmaus-Klosters sämtliche Gottesdienste des römischen Ritus auf slawischen Sprache halten. Das war auch in früheren Zeiten nicht unüblich, nur blieben solche Genehmigungen für den römischen Ritus auf das heutige Kroatien beschränkt.
Primiz vom Pater J. Zentner FSSP im Prager Dom. Diakon V. Prusakov FSSP, Subdiakon S. Srubar FSSP, Priester-Assistent A. Sumich FSSP, Predigt vom P. Radim Valik OSB.
 
    Das Kloster, unterstützt durch Karl IV, wurde zu einem der wichtigsten Orte der slawischen Kultur überhaupt. Dort entstand außerdem ein prächtiges Evangeliar "von Reims", das später zu den Krönungsinsignien der französischen Monarchen zählte. Diese Insignie war selbstverständlich auf Slawisch abgefasst. Der s.g. glagolitische Schrift des Buches sorgte für seinen mysteriösen Ruf. Die überreiche Bibliothek des Klosters wie auch der klösterliche Beitrag für die liturgische Tradition des Abendlandes ging im Zuge der Hussitenkriege verloren. Gottesdienste auf Slawisch wurde seitdem zum Kennzeichen der Ketzerei, ähnlich wie es mit anderen zeitgenössischen Sprachen der Fall war. Auf ein Detail muss der Leser sofort aufmerksam gemacht werden. Es handelte sich im Emmaus um den römisch-katholischen Gottesdienst und um eine ausschließlich liturgische Sprache (Kirchenslawisch). Diese Sprache bleibt die vornehmliche liturgische Sprache der Russisch-orthodoxen Kirche und einiger anderer kleinerer Gemeinschaften.
 
Evangeliar von Reims, geschrieben zu Prag im 14 Jh.
 
     Als der spätere russische Kaiser Peter der Große im 17 Jh. Frankreich besuchte, zeigten ihm die Domkanoniker vom Reims das geheimnisvolle Buch, dem eine Rolle im Krönungszeremoniell zukam, das jedoch für die Franzosen unlesbar war. Die zwei letzten französische Könige leisteten nichtsdestotrotz darauf den Eid. Peter der Große lüftete das Geheimnis, indem er bald erkannte, dass die Sprache der Handschrift die kirchenslawische war und dass es sich um ein Evangeli(st)ar handelte. Peter der Große versah in seiner Kindheit den Dienst eines Lektors, worüber ein Schild nicht weit vom meinem Moskauer zu Hause mit gebührendem Stolz berichtet. Nicht weit von meiner Moskauer Wohnung, auf einer winzigen aber wahren Insel, erhebt sich ein herrliches Münster zu Ehren des Schutzmantelfestes der Muttergottes. Ebendort trug der künftige Kaiser des russischen Reiches die liturgischen Lesungen vor.
    Im Sommer 2016 fand zu Prag eine Ausstellung „Das Slawen-Kloster Karls IV. – Frömmigkeit, Kunst und Bildung“ im slawischen Kloster statt (hier der ausführliche Bericht). Dort verkaufte man ein buntes Heft mit der abenteuerlichen Geschichte des Reimser Evangeli(st)ars, darum ist alles, was ich hier berichte, mit Gewähr.
    Als Überbleibsel der großartigen liturgischen Bewegung des 14 Jh. gilt das immer noch gültige Indult. Demgemäß darf man einige Male im Jahr die Gottesdienste auf Kirchenslawisch abhalten. Das Indult für Tschechien beschreibt deutlich und präzise, an welchen Orten und an welchen Tagen diese Gottesdienste erlaubt sind.
    Dieses Jahr fielen die vorgesehene Termine auf die ersten Ferien-Tage unseres Seminarbetriebs. Ich durfte P. Zentner bei seiner Heimat-Reise begleiten und ihm bei den kirchenslawischen Gottesdiensten helfen. Einmal sang ich in der Schola und ein zweites Mal durfte ich levitieren.
    Zum Gesang des Evangeliums habe ich das Faksimile eines Evangeliars aus dem 16 Jh. benutzt, zwar stammte es nicht aus Prag, sondern aus dem heutigen Moldawien, nichtsdestotrotz ist die Sprache der Handschrift die gleiche. Auch zeitlich waren wir damit um einige Jahrhunderte dem "Slawen-Kloster Karls IV" nahe.   
 
 Im September desselben Jahres pontifizierte Bischof Athanasius Schneider ebenso in Tschechien und ebenfalls auf Kirchenslawisch. Aus welchen Gründen tun wir es? Ist das bloß eine schöne Bühnen-Inszenierung? Ich denke, es ist viel mehr. Zunächst ist es Ausdruck der tiefen Einheit der slawischen Völker vor dem Angesicht Gottes. Diese ehemalige Einheit wurde im XX Jh. erneut schwer verletzt. Unter den Russen und Zentraleuropäern entstanden Gräben der neuen Entfremdung, die nur in der eschatologischen Perspektive auszuräumen sind. Was ist die Liturgie sonst, als die Offenbarung des Reiches, der eschatologischen Fülle hic et nunc? Außerdem ist es eine absolut traditionelle Liturgie, die für die meisten Slawen durch bloßes Hören zum großen Teil verständlich ist. Ist es nicht der Traum der liturgischen Bewegung - die Verständlichkeit der unveränderten, überlieferten Liturgie?
 
    Man könnte noch viele interessante Details über diese Tradition berichten. Dazu fehlt mir jedoch die Zeit und die sprachliche Kunstfertigkeit. Wenn der verehrte Leser einige Fragen hat, möge er in der sicheren Hoffnung auf die baldige Antwort hier unten seine Frage stellen!

 

Zur Vertiefung:

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Тема: Traditionell und doch ungewöhnlich

Дата 09.10.2016

От Andris Amolins

Тема Kaiser Peter und das Glagolitische

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Danke für das schöne Bericht. Mir wundert´s, dass Peter I Glagolitisch lesen könnte, und zwar wegen seines Lektorendienstes. Wurde in Russland 17. Jh liturgische Bücher mit glagolitischer Schrift verwendet?

Дата 10.10.2016

От Der Author

Тема На:Kaiser Peter und das Glagolitische

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Lieber Andris,
Du bist wie immer ganz anspruchsvoll :-) für meine popularisatorische Ansätze :-)) Danke und weiter so! Die Antwort habe ich jedoch für dich parat! Das Reimser Evangelistar galt als ein Buch von der Fürstin Anna Jaroslavna von Kiev. Der erstere Teil des Evangeliars ist kyrillisch geschrieben und nur der zweite Teil (die Fortsetzung) glagolitisch. Also, es genügte dem Peter I den Inhalt des ersten Teiles festzustellen. Danke dir!