Konstantinopel zum zweiten Mal

24.04.2023 17:31


Ich habe die Osterwoche dieses Jahr in Istanbul verbracht. Mein Begleiter war - wie bei meinem ersten Besuch - das Buch von Sergej Iwanow: Auf der Suche nach Konstantinopel. Führer durch das byzantinische Istanbul. Allem vorab: in Istanbul gibt es noch viele byzantinische Denkmäler. Ja, sie sind in sehr unterschiedlichem Zustand. Etwas wurde gut restauriert, wie das Haus des Porphyrogenitus oder die Kirche von Lips. Sergey Ivanov selbst beschreibt in Jahre 2014 diese Denkmäler als stark zerstört und unzugänglich. Im Moment sind sie gründlich restauriert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Das Porphyrogenitus-Haus ist die letzte Residenz der byzantinischen Kaiser. Konstantin der XI brach im Mai 1453 von hier auf, um die Stadt zu verteidigen.



Die  Konstantin-Lips-Kloster-Kirche ist von innen unglaublich schön. Es scheint mir, dass sich jetzt eine arabische Moschee darin befindet. Es ist offen und die Innenausstattung hinterlässt einen wahrhaft sakralen Eindruck. Riesige Fenster, Gänge, Decken. Alles sehr beeindruckend! Paläologen wurden in der Lipser Kirche begraben, darunter die Moskauer Prinzessin Anna Wassiljewna 1393-1417 (Enkelin von Dmitri Donskoi), die in Konstantinopel an der Pest starb.


Einen angenehmen Eindruck hinterließ die Kirche von Sergius und Bacchus. Laut Ivanov war dieser Tempel mit Nebengebäuden eine Art Gehöft des römischen Papstes in Konstantinopel. Interessante Tatsache! Hier spielte sich die abscheuliche Szene der Gefangennahme von Papst Vigilius durch Justinians kaiserliche Soldaten ab.


Im Moment läuft in der Türkei, was mir nicht ganz klar ist, eine Art politisches Spiel, dessen Währung das byzantinische Erbe ist. 2020 wurde die Hagia Sophia wieder zur Moschee. Gleichzeitig wurde die Kirche des Klosters von Chora (die größte Sammlung von Mosaiken und Fresken) geschlossen, ebenso die Kirche von Pamakaristos (einer der ehemaligen Zufluchtsorte der Patriarchen von Konstantinopel). Die Vertreibung der Patriarchen aus dieser Kirche war Anlass, den russischen Zaren um Almosen zu bitten, der sich im Gegenzug für materielle Unterstützung die Zustimmung des Patriarchatssitzes in Moskau sicherte. Das Chora-Kloster und die Pamakaristos-Kirche sind nicht nur geschlossen. Sie sind von einem soliden zwei Meter hohen Zaun umgeben, hinter dem nicht gearbeitet wird. Über die Zukunft der Denkmäler gibt es an den Zäunen keine Informationen.


Ähnlich verhält es sich mit dem Studioskloster in Konstantinopel. Die Mönche (darunter vor allem Theodor Studites) waren im Bilderstreit entschiedene Vertreter der Bilderverehrung und machten mit ihrer Mönchsregel (Typikon), die Traditionen Palästinas mit denen Konstantinopels verband, das Kloster zum Vorbild für viele byzantinische, süditalienische und russische Klöster.

Die Klosterkirche ist sehr gut erhalten, aber auch von einem soliden Zaun umgeben. Der Geländewächter öffnet gegen Schmiergeld die Tür, lässt aber keine Fotos zu.

Auch das Museum für byzantinische Mosaiken und die byzantinischen Säle des archäologischen Museums sind ohne jegliche Information geschlossen.


Die Situation um die Hagia Sophia ist sehr prekär. Einerseits muss man keinen Eintritt mehr bezahlen (wie in der Museumszeit), der Bau ist fast immer geöffnet, auch nachts, andererseits kann man nicht mehr auf die Empore gelangen, wo die weltberühmten Mosaiken und Graffities der Pilger erhalten geblieben sind. Die Gottesmutter in der Apsis ist mit einem Tuch verdeckt. Mir ist aufgefallen, dass in der Hagia Sophia (und nirgendwo sonnst) ganz zentral ein Büchertisch mit islamischer Missionsliteratur steht.


In verschiedenen Sprachen wird es angeboten, über die vermeintlich wahre Botschaft der Bibel (!), über das Verhältnis von Koran und Bibel, darüber, wer Jesus Christus angeblich in der Wirklichkeit war, zu erfahren. Diese Broschüre und kleine Bücher sind unter anderem in der deutschen, englischen und russischen Sprache verfügbar und richten sich ausschließlich an Christen.  Das Niveau der islamischen Apologetik, das in diesen Broschüren zu Tage tritt, ist sehr niedrig, obgleich es einen unerfahrenen sowjetischen Touristen sehr beeindrucken kann. Am Ende eines solchen Buches lädt der Autor seine Leser ein den Islam, "die künftige Religion Europas", anzunehmen. Ich lade hingegen meine Leser ein, ihre eigenen Schlüsse aus diesem Sachverhalt eigene Schlüße zu ziehen. Vor allem frage ich mich: warum legen wir keine Broschüre über Christentum auf Türkisch, Arabisch, Kurdisch oder Chinesisch in unseren Domen und Kirchen aus? Warum lernen wir Christen in Europa so wenig die Sprachen dieser Völker? Es ist dringend nötig!

Nicht mehr zugänglich !


Zu einer anderen Büchermesse g in der Nähe der Moschee auf dem Gelände der Zwölf-Apostel-Basilika. Viele Kaiser und Mehmet der Eroberer wurden dort begraben. Die Buchmesse bot hauptsächlich islamische Literatur an. Koranübersetzungen (auch ins Polnische und Ukrainische wurden kostenlos herausgegeben), es gab keine Bücher mehr auf Russisch - alles wurde aussortiert, aber wir schafften es, ein beliebtes Buch über den Islam in Fragen und Antworten zu kaufen. Veröffentlichung der Präsidialverwaltung der Türkei.


Nach dieser Begegnung mit solcher islamischen Missionstätigkeit entschloss ich mich nach den christlichen Broschüren auf Türkisch und Arabisch für die Muslime zu suchen. Wir können keine kostbare Zeit mehr verschwenden. In unseren Städten leben sehr viele Muslime, warum gibt es in unseren Kirchen nicht zumindest die allgemeinsten Informationen über unseren Glauben, über die Aufbau unserer Kirchen? Glücklicherweise haben Katholiken und Lutheraner im Norden Deutschlands eine wunderbare Broschüre für Muslime herausgegeben.

Lasst uns diese Informationen teilen und die Karfreitagsbitte ernst nehmen und zu unserem täglichen Gebet machen. Die Zeit drängt!

Allmächtiger, ewiger Gott,

steh allen bei, die sich nicht zu Christus bekennen,

dass sie mit redlichem Herzen vor dir leben und die Wahrheit finden.

Uns aber gib,d ass wir das Geheimnis deines Lebens immer tiefer erfassen

und in der brüderlichen Liebe wachsen,

damit wir immer mehr zu glaubhaften Zeugen deiner Güte werden.

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen!

https://www.offizialat-vechta.de/detail/willkommen-in-unseren-kirchen

Mit Ausnahme der  St.-Georgs-Kirche (Sitz des Patriarchen von Konstantinopel) hinterlassen christliche Kirchen (über die Katholiken weiß ich es nicht genau) einen schmerzhaften Eindruck. Bis die Türwächter sich vergewissert haben, dass du ein Christ bist, lässt man dich gar nicht rein. Ist man hineingelassen, wird einem alles herzlich erklärt und gezeigt.  Am lebendigsten erschienen mir die Armenier. In ihren Territorien (hinter Stacheldraht und unter der Überwachung von Kameras) ist das Leben in vollem Gange. Nur von ihnen konnte ich das Evangelium auf Türkisch bekommen, im Hofe ​​steht eine in Moskau gegossene Glocke, diese durfte ich aber nicht fotografieren...


Es gibt einen Laden auf dem Gelände des  Patriarchats von Konstantinopel, aber dort gibt es praktisch keine Bücher: keine Evangelien, keine Gottesdienstbücher, keine Gebetbücher. In der Osternacht bildete sich eine lange Schlange vor den Metalldetektoren der türkischen Polizei. Die Griechen warteten auf den Kirchenhof vor die Kathedrale hineingelassen zu werden. Nach der Prozession verließ der größte Teil das Gelände, sodass man nicht nur stehen, sondern auch bequem auf den Stasidien sitzen konnte. Die Osternacht feierte ein griechischer Metropolit, der den Patriarchen Bartholomäus vertreten hat. Der Gottesdienst war feierlich, aber schlicht und ganz anders als in Moskau.


Dieses Mal beeindruckte mich die Irina-Kirche ganz besonders. Hier hat das Zweite ökumenische Konzil stattgefunden. Der geistig-intellektuelle Erbe dieses Konzils ist das große Glaubensbekenntnis, die wir immer noch (leider viel zu selten) an Sonntagen beten (sollten).  Der Kirchenschmuck ist in der Kirche gut erhalten. Die Irina beeindruckt durch seine Größe, edle Proportionen und das majestätische Mosaik des Kreuzes. Die Psalmzitate auf Griechisch sind ebenso erhalten. Der türkische Staat wird derzeit gerne von russischen Touristen frequentiert. Viele von ihnen nehmen die Führungen durch muslimischen Reiseführer in Anspruch. Was ich aus dem Ohrwinkel heraushören konnte, war nicht besonders geistreich, aber immer islamisch-missionarisch ausgerichtet. Ich hoffe, dass russische und andere europäischen Touristen sich irgendwann mehr für Byzanz interessieren werden. In Russland hat der Bischof Tichon Schewkunow (bekannt sogar im Westen durch sein populäres und allenfalls lesenswertes Geschichtenbuch "Heilige des Alltags") vor Jahren einen Film über die angeblichen Parallelen zwischen Byzanz und Russland gedreht. Diese Mischung aus Märchen, Klischees und Propaganda wurde von den echten Historikern scharf kritisiert. Trotzdem sind viele russischen Gläubigen dieser verzehrten Darstellung ausgeliefert. Die (Droh-)Botschaft von Schewkunow  besteht im folgenden. Ein orthodoxes Kaiserreich solle nicht mit dem hinterlistigen Westen liebäugeln. Die Byzanz tat es zu ihrem Verhängnis und wurde vom Westen (sic!) schon vor ihrem Fall tödlich verwundet. Erstens war Byzanz selber ein Teil des Westens, zweitens gab es in Mittelalter keinen "kollektiven Westen", der nichts anderes zu tun hatte, als angebliche orthodoxe Reiche zu vernichten.   Die Dokumentation von Schewkunow ist ideologiekonform und versucht mit seiner Kreation eine bestehende Ignoranz über die Byzanz  auszugleichen. Meiner Meinung nach ist aber die Ignoranz besser als Ideologie und Propaganda. Ein westlicher Bürger wird viel besser mit den Dokus von Arte informiert. Ich kann diese wärmstens empfehlen.


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